Schicht – Folgen (1988)
Rückblick auf meine Ausstellung im Institut für Moderne Kunst in Nürnberg im Jahr 1988
Nürnberg-Installation in der SchmidtBank-Galerie.
Es war eine faszinierende Entdeckung, die der Pole Jan Niksinski so um 1985 an der Küste Bulgariens· machte, als er Schwarzweißfotos von dürren Stäben auf porösem Felsuntergrund schoss. In der realen Dingwelt tauchten Elemente auf, die er bislang nur in seiner eigenen, zumindest teil-abstrakten, künstlichen Formenwelt bewusst wahrgenommen hatte.
Die neue Phase in seinem Werk, deren Auslöser diese Erfahrung war, wird in einer Ausstellung des Instituts für Modeme Kunst in der SchmidtBankGalerie bis zum 16. September mit vielen Beispielen dokumentiert. Mitdieser Schau unterstreicht das Institut auch sein langjähriges Engagement für die osteuropäische Kunst.
Jan Niksinski erweist sich mit seinen strengen, weitgehend gefühlsarmen, ja intellektuellen Collagen und Materialbildern als ausgesprochener Sonderling, bedenkt man, dass die Welle des neu-wilden Zeitgeists erst vor kurzem Polen erreicht hat und unter den Künstlern ein breites Echo findet. Er ist gewissermaßen seiner, eng mit der polnischen Graphik-Tradition verbundenen Malweise treu geblieben und führt seine persönliche Entwicklung weiter, deren frühere Stationen in Nürnberg bereits anlässlich der 3. Internationalen Triennale der Zeichnung (1985) und einer Einzelausstellung in der Galerie Varisella(1986) zu beobachten waren.
Schicht um Schicht baut er meist in dünnen Papierlagen seine von einer gebrochenen Farbigkeit im Kontrast mit reinem Weiß bestimmten „Reliefs“ auf. Eine grobporige Materialstruktur, unregelmäßig eingegrabene Vertiefungen und die glatten Ränder aufgeklebter geometrischer Flächen provozieren ein subtiles Spiel mit Licht und Schatten. Erst beim zweiten Hinschauen fällt auf, dass die Plastizität der Arbeiten nicht allein vom realen Schatten der aufgebrachten Materialien herrührt. Niksinski bedient sich der klassischen illusionistischen Sprache des trompe-l’œil, indem er mit technisch perfekt eingesetzten Malmittel Dreidimensionalität irritierend vortäuscht. Zusätzliche Strukturen werden durch aufgeklebte Xerokopien eingebracht, so etwa durch werden das monotone Muster von Börsenkursen aus der Zeitung in „Das Bild des Auswegs aus dem Labyrinth“, oder durch die poröse Konsistenz von Felsen auf den Bulgarien-Fotos in der Arbeit „Ich war hier 5 Uhr frühmorgens“.
In einigen Bildern stellen gezeichnete Gegenstände die vorderste Schicht dar. Dürre Stäbchen scheinen sich vom Hintergrund abzuheben, werfen deutliche Schatten. Die Arbeit „Das Beweisstück” zeigt am Rand ein Stück echter Schnur. Diese setzt sich dann, in gemalter Form und später als Photokopie im Bild fort und verknüpft so die verschiedenen Realitätsebenen.
Auch der Hintergrund bricht auf und wird dynamisiert. Aus einem gemalten Spalt in „Die Lichtquelle” dringt unscharf konturiertes Weiß gleißend nach vorne. Die Kraft des Lichtes, die aus diesem Aufbruch resultiert, veranschaulicht am besten das Pendant zu diesem Bild, das unter dem Titel „Das schwarze Loch“ unergründlich, aber formal zusammenfassendes Schwarz in dem gemalten Spalterscheinen lässt.
Niksinskis Werke sind Stationen in einem Prozess, der nicht ausschließt, dass ein früheres Werk später, nach Jahren, noch einmal überarbeitet und unter einem anderen Titel erneut vorgestellt wird.
Als vorläufiger Endpunkt in diesem Prozess der Rückführung abstrakter Formen in die reale Dingwelt, mag die „Installation für Nürnberg“ gesehen werden. Das Mobile mit gleichsam schwebenden Schilfrohren, weißen Stoffbahnen, einem zerschnittenen, besser aufgebrochenen. Bild Niksinskis und einem kleinen Bleibarren veranschaulicht die vollkommene Loslösung des Reliefs vom bildmässigen Grund. Alles das, was im Bild abstrakt gedacht worden war, dann in Form von realer und illusionistischer Plastizität ein gewisses Eigenleben zu führen begann manifestiert sich jetzt als frei im Raum schwebendes Objekt. Die Sprache ist dieselbe geblieben nur ihr Aggregatzustand hat sich verändert.
Ab Anfang August ist im Verwaltungsgebäude von Faber-Castell in Stein als Ergänzung des Instituts für Moderne Kunst eine Schau älterer Arbeiten des polnischen Künstlers zu sehen.
Thomas Kliemann