Bilder im Theater – Theater in Bildern (2009)

Ich habe diesen Text anlässlich der Ausstellung „Bilder im Theater – Theater in Bildern“ im Österreichischen Kulturforum in Warschau 2009 geschrieben.  Diese Ausstellung zeigte eine fotografische und filmische Dokumentation meiner Zusammenarbeit mit dem TheaterMëRZ sowie meine von dieser Zusammenarbeit inspirierten Gemälde.

Für mich war die Zusammenarbeit mit dem TheaterMëRZ und Willi Bernhart, dem Schöpfer, Leiter und Hauptregisseur dieses Theaters, eine absolute Ausnahme oder gar eine Art Phänomen in meiner künstlerischen Biografie. Ich hatte vorher und nachher noch nie mit einem Theater in einem professionellen Sinne zu tun gehabt. Meine kurze Zusammenarbeit mit dem Theater von Angelika Hauff in Wien 1981, wo ich als Statist in ihrer Inszenierung von „Der Büßer Boleslaw“ mitwirkte und auch das Plakat für diese Inszenierung sowie das Plakat für die Warschauer Pantomime gestaltete, waren für mich eher unbedeutende theatralische Episoden, vor allem im Vergleich zu der großen Erfahrung, die ich in diesem Bereich durch die Arbeit mit dem TheaterMëRZ sammeln konnte.

                Bevor wir Willi Bernhart trafen, hatte ich nicht nur mit keinem Theater gearbeitet, sondern war auch nur sehr selten als Zuschauer im Theater gewesen. Meine Wahrnehmung von allem, was im Theater passierte, war irgendwann durch das Theater von Tadeusz Kantor „kontaminiert“. Seine erste Aufführung von „Die tote Klasse“ und die darauf folgenden Aufführungen ließen alles andere, was ich in anderen Theatern sehen konnte, naiv, künstlich und einfach langweilig erscheinen. Selbst meine Faszination für die Dramen von Witkacy brachte mir immer wieder neue Enttäuschungen in Form von völlig „falschen“ Aufführungen, die ich in polnischen Theatern oder im Fernsehtheater sehen konnte. Erst meine erste Arbeit als Bühnenbildnerin für das TheaterMëRZ für eine Inszenierung von Witkacys „Im Kleinen Landhaus“ brachte mir die Erleuchtung, dass man Witkacys Stück auch anders zeigen kann als als Groteske „mit Irrenhaus“ oder als romantische Tragödie. Wenn Witkacy in der Interpretation von Willi Bernhat auch eine Groteske blieb, so bekam er doch eine deutliche philosophische und existenzielle Tiefe. So entdeckte ich nach Kantor ein zweites Theater, das mein Interesse und meine Faszination weckte; umso mehr war ich bereit, mich auf jedes neue Projekt von Willi einzulassen, wenn er mich zur Mitarbeit einlud. Es stellte sich heraus, dass er auch meine künstlerische Vision akzeptierte und mir fast absolute Freiheit beim Bau meiner späteren Installationen ließ, die als Bühnenbilder in seinen Performances fungierten. Meine Bilder bestehen oft aus einer Vielzahl verschiedener Elemente, die ein ziemlich komplexes visuelles ‚Theater‘ bilden. Die Bühnenbilder für das TheaterMëRZ waren dagegen eher minimalistisch, da Willis Ideenreichtum in der Regie und die Ausdruckskraft der Schauspieler nur einen minimalen ‚Kontrapunkt‘ im Raum seines Theaters erforderten. Die Bühnenbilder, die ich entwarf, waren immer eine Art visuelle Metapher – in jeder weiteren Produktion entfernte ich mich mehr und mehr vom Konkreten und war sehr froh, wenn es mit Willis Konzept harmonierte.

                Unsere Zusammenarbeit war nie typisch für alle mir bekannten Methoden der Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Bühnenbildner. Ich habe keine Entwürfe, Modelle oder Skizzen gemacht. Ich kam in der Regel drei bis vier Wochen vor der Premiere ins Theater, wenn Willi und seine Gruppe bereits eine vorläufige Idee für die Inszenierung einer bestimmten Aufführung ausgearbeitet hatten, und nahm an den ersten Proben teil, wobei ich erst im Theaterraum begann, meine verschiedenen Strukturen und Objekte gleich zu „skizzieren“. Bei den Proben habe ich dann beobachtet, wie das mit dem Spiel der Schauspieler und dem Konzept von Willi Bernhart zusammenging. Es war eine faszinierende gemeinsame Improvisation, an deren Form manchmal noch bis in die letzten Stunden vor der Premiere gefeilt wurde. Sowohl mein Bühnenbild als auch die Arbeit von Willi und seinen Schauspielern waren stets kompromisslos in ihrem Streben nach essenziell einfachen und kraftvollen visuellen Ausdrucksformen. Professionalität, Originalität und künstlerische Freiheit waren immer das Markenzeichen des TheaterMëRZ. In der Zusammenarbeit mit diesem Theater habe ich versucht, diesen Prämissen gerecht zu werden. In dieser Zusammenarbeit brauchten wir oft keine Worte – irgendwann schien Willi mir völlig zu vertrauen und erlaubte mir, diese Art von ‚Kontrapunkt in seinen Konzerten‘ so kreativ und unabhängig zu gestalten, wie ich es mir damals leisten konnte. Es war und ist für mich eine große Genugtuung, dass ich an der Verwirklichung vieler herausragender Theaterproduktionen Willi Bernharts – MëRZfractats – mitwirken durfte.

                In einem unserer regelmäßigen Gespräche sagte Willi: „Ich bin die Sonne, ich bin der Gott, ich bin es, der dich gefunden und für das Theater geschaffen hat – ohne mich wärst du nichts. Ich habe damals geantwortet und ich antworte heute: Ja Willi, in deinem Theater bist du beides, Gott und Sonne und was du willst. Du hast mich für dieses Theater gefunden und mich zu dieser Zusammenarbeit inspiriert. Dafür danke ich dir von Herzen. Fakt ist aber auch, dass ich keinen einzigen Tag in diesem Theater verbracht hätte, wenn du dich nicht als ein herausragender Künstler erwiesen hättest, mit dem ich einen in meinem Leben noch nie dagewesenen Kontakt im künstlerischen Sinne herstellen konnte. Ihr Theater ist absolut Ihr Reich und Ihre Welt – ich war dort nur ein Gast, dem Sie manchmal Partnerstatus gaben und mich zur Mitarbeit einluden. Das heißt aber nicht, dass ich ohne dich ein Niemand wäre – vielleicht wäre ich im Theater insofern ein Niemand, als ich ohne deine Inspiration wahrscheinlich nie zum Theater gekommen wäre, und schon gar nicht zu einem Theater wie dem deinen. Ihr Theater ist aber nicht die ganze Welt, obwohl es das vielleicht für Sie ist? Das ist meine Welt, meine Kunst. Nun bin ich es, der Ihnen für diese theatralische Initiation dankt und Sie in meine Welt einlädt, in meine Ausstellung, deren Thema und Hauptelement meine Arbeit in Ihrem Theater ist.

.