Kunst schafft „andere Wirklichkeit“ (1986)

Artikel in den Salzburger Nachrichten 9.01.86 – Karl Harb / Auszüge

Der Pole Jan Niksinski lebte und arbeitete im Gastatelier des Landes Salzburg

Seit einigen Jahren besitzt das Land im Salzburger Künstlerhaus ein Gastatelier. Künstler aus allen Ländern können hier zu günstigen Bedingungen leben und arbeiten. Robert Kritzer von der Kulturabteilung möchte nun neue Perspektiven suchen, deren wichtigste Begegnung und Austausch heißen Gegenseitiges Kennenlernen hilft dem·besseren Verstehen, öffnet für Salzburger Künstler Chancen, ·Kontakte zu knüpfen. sollte dem Gast umgekehrt die- Möglichkeit geben, hier künstlerisch und kommunikativ Fuß zu fassen. Für das Jahr 1988 sind die Termine ausgebucht. Das Gastatelier werden Peter Coler, Wintried Muthesius, Rolf Viva, Peter Poncratz (der für das Rupertinum arbeiten soll), F; M. R. Ringel; Hubert Aratym· (auf Wunsch des Unterrichtsministers), Hans Weyrmeer (der damit seinen 1983 beim Faistauer-Preis gewonnenen Publikumspreis einlöst), Künstler aus der DDR und aus Trient sowie der aus Salzburg stammende Australier George Foxhill bewohnen. Eben packt de.-letzte Gast des Jahres 1985 seine Koffer: Jan Niksinski, ein polnischer Maler und Graphiker,

der vor vier Jahren a1s Assistent der Klasse Rudolf Hradils auf der Sommerakademie wirkte, konnte hier, wie er den SN in einem Gespräch versicherte, in Ruhe arbeiten, was er a1s penibler Bildgestalter schätze und brauche. Der in Danzig und Warschau künstlerisch, auch pädagogisch Geschulte schuf bislang viele Buchillustrationen (und ist mit solchen Arbeiten unter anderem auch im Ueberreuter Verlag-publiziert worden). Die Begegnung mit der Literatur hat stets prägenden Einfluss auf seine Bilder, auch über den konkreten literarischen An1aß hinaus, gehabt. Niksinski sieht in der Kunst die Möglichkeit Geschichten zu erzählen, indem vorgegebenes Material (etwa‘ Fotos) mit seinem eigenen Mittel transformiert. Auf seinen „Brotberuf“ angesprochen, meint der Künstler, dass in Polen die Gattung der Buchillustration on das jeweilige persönliche künstlerische Niveau respektiere, zum Unterschied etwa zu unseren Breiten. wo das ,,gebrauchsgraphische“ Element („farbig und realistisch“) noch sehr im Vordergrund stehe.

Niksinskis Bilder tragen denn auch sollte alle eine persönliche Handschrift, resultierend aus der „Spannung zwischen realistisches Denken und Emotion. Individualität sei überhaupt das hervorstechende Merkmal der polnischen Kunst heute, für die sich besonders junge Leute verstärkt interessieren. Dennoch haben Literatur, Musik, Theater einem höheren Rang, weil auch der Zugang zu diesen Gattungen sehr billig ist. Eine Stehplatzkarte kost „fast nichts“

Ob denn Kunst für ihn politisch sei, frage ich Jan Niksinski. Er verneint vielmehr müsse die Kunst „andere Wirklichkeit schaffen“. Kunst beginne dort, wo die Wirklichkeit endet, sie sei „keine Dokumentation der Welt“. Von konkreten Dingen ausgehend, verändere die Kunst, das künstlerische Gestalten durch eine Kette von Assoziationen das Reale. Stilistisch könnte man von einem „abstrakten Symbolismus“ sprechen, doch wehrt sich Niksinski gegen. Auch hier also ein individueller Zug.

Die Begegnung mit dem polnischen Künstler war offen, herzlich, lebhaft. Den lebendigen Diskurs vermisse er hier, sagt er, vielmehr seien „die Menschen sehr verschlossen“ – ein Charaktermerkmal, das in Polen unbekannt sei. Und wie zur Bestätigung bietet er mir die Gastfreundschaft an, sollte mich mein Weg einmal nach Warschau führen. Dann wollen wir auch solche Mentalitäten ausführlich diskutieren.

Karl Herb

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