Auswege aus dem Labyrinth (1988)
Neue Arbeiten des Polen Jan Niksinski in einer Ausstellung des Nürnberger Instituts für moderne Kunst
Im Gespräch kommt Jan Niksinski immer wieder darauf zurück, dass man seinem Arbeiten mit Sprache nichts zu nahekommen dürfte und dies in Wahrheit wohl auch nichts könne. Die Frucht ist berechtig, denn gerade solche Kunst, die sich so schweben in der Mitte von Gegenständlichkeit und Abstraktion hält. Kunst, die sich in derart introvertierter Form im Bereich des Meditativen bewegt und nichts Erzählerisches hat, ist weit mehr auf das ästhetisch-intuitive Erfassen angewiesen als auf das rational-bewusste Begreifen. Der 26jährige, heute in Warschau lebende Pole Jan Niksinski ist in Nürnberg kein Unbekannter mehr; 1985 sah man einiges Blätter auf Triennale der Zeichnung und 1986 widmete ihm die Galerie Varisella ein Einzelausstellung. Im Westen hat er schon mehrfach ausgestellt, so in Berlin und Wien. Studiert hat er in Danzig, Warschau und mit einem Stipendium – in Wien. Assistent war er1982 an der Salzburger Sommerakademie. Ein Künstler von hoher Sensibilität und in seiner Heimat still ein Einzelgänger.
Derzeit stellt ihn das Institut für moderne Kunst (in der Schmidt-Bank-Galerie am Lorenzen Platz) in Nürnberg erneuet vor. Die neuen Arbeiten sind noch stiller als früheren, dabei auch klarer in ihrer tonigen, meinst graublauen niemals plakativen Farbigkeit. Achtzehn in Mischtechnik gefertigte Bilder auf Spanplatten sind es, dazu eine für diese Ausstellung gearbeitete Installation mit einer durchschnittenen Zeichnung im Zentrum sowie Textilen, einem aufgehängten Stein und Schilfrohr. Gäbe es nichts an den Wänden ringsum die Bilder, bleibe einem der Sinn dieses räumlichen Phantasiestück vollends verschlossen. So aber weiß man, dass der Maler und Zeichner Niksinski in seinem Bildvorstellungen stets dreidimensional denkt. So gibts es auf den Bildern mehrere Schichten, sowohl faktisch, materiell als auch in der Bildidee. „Lichtquelle“ heißt eines dieses Bilder: in der Bildmitte zieht sich vertikal vom oberen zum unteren Bildrand ein vibrierender weißen Streifen, ein liegt optisch abgehoben vor körnigen, mattblauen Bildfläche, die in der rechten Hälfte von einem stumpfen Winkel geteilt wird. Scheinbar zwischen Untergrund und weißen Lichtband schweben zwei sorgfältig gemalte Schilfrohre der Realismus der Zeichnung geht bei ihnen bis zum Trompe-l’oeil zur Augentäuschung, so körperhaft sie sich mit ihren Schatten vom Untergrund ab.
Die Titel entstanden im Nachhinein, sind nie Bildprogramm. Die Technik mischt freizügig und vielfältig: Einritzungen in Spannplatte geben Relief, feine, sehr homogene Schraffuren schaffen Flächenelemente, Konstruktiv-Geometrisches wird von scharfkantig-spitzen Formteilen überkrochen, die eine ganz andere. Binnenzeichnung haben. Das bedrängt einander, so wie Eisscholle sich im Geschube überlagern. Wenn diese Tektonik der der Formteile oft auch schrille, fast schmerzhafte Sprödigkeit hat, so wird das Schroffe durch die sanfte Farbigkeit wieder gemildert. „Ein anderes Land“ etwa hat, diese splitternde Schroffheit und zugleich milde Farbigkeit. Verletzendes Scherbengefüge signalisiert Angst vor der Begegnung mit dem, der oder das nicht Ich ist. Man spürt besonders in einem solchen Bild die verletzbare Sensibilität Niksinskis.
Und auf fast allen Bildern gibt es diese realistisch gemalten Schilfrohre, wie eine Beschwörung. Der Maler hat vor Jahren solche Schilfrohre auf einem Felsstück liegen sehen. (Eigene Anmerkung: Der Journalist und „Kritiker“ Walter Fenn hat meine Aussage über das Schilf missverstanden oder falsch interpretiert. Ich habe dieses Schilfrohr nicht auf den Felsen gesehen. Ich habe sie im Strandja-Gebirge in Bulgarien in der Nähe eines Baches entdeckt. Ihre Form verwirrte mich, denn sie sahen aus wie dünne Bambusrohre. Ich hatte sofort die Idee, sie zu den Felsen am Schwarzen Meer in der Nähe des Dorfes Varvara zu bringen. Ich fotografierte meine Installationen dieser Schilfrohre auf den Felsen und beschloss, eine Reihe von Gemälden nach diesen Fotos zu malen. Auf diese Weise hatte ich bereits die Idee für meine gesamte zukünftige Ausstellung im Institut für Moderne Kunst in Nürnberg.) Das Bild das von ihm damals eingeprägt hat, wurde zum Kernstück aller seiner Bilder: der körnige Felsgrund, mit fotografischen Mittel ins Bild geholt, darüber Konstruktives, ganz oben die Stäbe, zuweilen auch Collageelemente „Das Bild des Auswegs aus dem Labyrinth“ heißt einer der Titel. Der Maler zieht den Betrachter in ein. Labyrinth von Imaginationen und Emotion hinein, doch er gibt in den Bildern zugleich, Hinweise, sich wieder herauszufinden. (Bis l6.September)
WALTER FENN